Standpunktmanagement

Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Allerdings verdrängen manche ihre Visionen und finden so niemals Heilung. Sie haben gelernt, mit der »Krankheit« zu leben. Wie kann ein »Patient« in dieser Situation neue Impulse setzen, um die »Therapie« wieder in Gang zu bringen? Wie kann er sich der Verwirklichung seiner innigsten Träume etwas annähern? Vielleicht mit folgendem Ansatz.

Mal angenommen, es bimmeln bei dir in der Nachbarschaft am Sonntag früh um 7 Uhr die Kirchenglocken (bei mir ist das tatsächlich so). Nicht irgendwelche Dinger, sondern die richtig dicken Brummer mit ordentlich Wumms. Du liegst noch verträumt und ziemlich verschlafen im Bett. Es war eine anstrengende Woche für dich und du möchtest einfach nur Ruhe. Wie würdest du reagieren?

Mit einem Wutanfall? Mit bösen Beschwerdebriefen an das katholische »Bodenpersonal« vom lieben Gott? Mit Umzugsgedanken? Oder ganz pragmatisch mit Ohropax?

Das wären wohl die üblichen, standardisierten Reaktionsweisen, die man normalerweise in einem gut sortierten menschlichen Bewusstsein findet. Der dahinterliegende Standpunkt könnte möglicherweise lauten: »Hast du Glockenschall am Morgen, ist kein Platz für andere Sorgen.«

Allerdings könntest du zu dieser Situation auch einen ganz anderen Standpunkt einnehmen. Du könntest das Glockenbimmeln als kostenlose Klangschalenbehandlung betrachten, die pünktlich und kostenlos frei Haus geliefert wird. Du musst dafür noch nicht einmal aufstehen. Kirchenglocken liegen also voll im Wellness-Trend. Wie würdest du dann wohl reagieren? Möglicherweise würdest du voller Dankbarkeit für diesen tollen Service nochmals in einen angenehmen Dämmerschlaf sinken.

Noch ein anderes Beispiel? Mal angenommen, es regnet unaufhörlich den ganzen Sonntag. Der Wetterbericht hatte einen angenehmen Sonne-Wolken-Mix vorhergesagt und deshalb hast du einen Ausflug geplant. Der fällt nun ins Wasser. Deine Laune ist ohnehin schon etwas angeknackst, da dich um 7 Uhr das Bimmeln der Kirchenglocken aus dem Bett geworfen hat. Und wieder der Selbsttest: Wie würdest du reagieren?

Mit einer ganztägigen Kurzzeitdepression? Mit einer stimmgewaltigen Kirchenaustrittsdrohung himmelwärts in Richtung Petrus, wenn nicht entweder das Pisswetter oder das Glockenbimmeln endlich aufhören? Der gewohnheitsmäßige Standpunkt dazu: »Hast du Regen Tag und Nacht, hilft auch kein Drei-Wetter-Taft.«

Auch diese Reaktionsmöglichkeiten sind nicht »alternativlos«. Dazu eine Frage: Wann hast du mit passender Kleidung das letzte Mal bei strömenden Regen einen Waldspaziergang gemacht? Ganz ohne Regenschirm? So richtig rein in die Natur? Mich beglückt das jedes Mal total. Der veränderte Standpunkt dazu, basierend auf einem Zitat aus unbekannter Quelle (darfst du auch wörtlich nehmen):

»Es geht im Leben nicht darum, zu warten, bis das Unwetter vorbeizieht. Es geht darum, zu lernen, im Regen zu tanzen«.

Auch hier: anderer Standpunkt, anderes Erleben.

Was möchte ich durch diese Beispiele zeigen? Den Standpunkt bzw. die Haltung, die wir zu einer Situation einnehmen, entscheidet sehr stark darüber, wie wir etwas erleben. Es beeinflusst unmittelbar unsere erlebte Realität. Mit anderen Worten: Wir haben es selbst in der Hand.

Jetzt schlage ich geschickt den Bogen zur einleitenden Frage: Wie können wir das nutzen in Bezug auf unsere Visionen und Träume, um wieder in Schwung zu kommen? Einfach mit folgender Frage: Welchen Standpunkt muss ich einnehmen, dass das mit meiner Selbstverwirklichung in diesem Leben noch was wird?

Eine Veränderung geschieht dann allerdings nur, wenn dieser neue Standpunkt auch tatsächlich bewusst gewählt wird. Das spannende dabei: In Folge dessen nimmst du plötzlich ganz andere Dinge wahr und es kommen dir ganz andere Ideen in den Sinn, die dich garantiert weiterbringen. Ist es dir einen Versuch wert?

Auszug aus meinem Buch Herr Doktor, ich habe Visionen

Christian Kirschner

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